Seite wählen

Digitalisierung in Seniorenheimen – ein Segen? Interview

Interview

In unserem Interview mit Herrn Eisele, dem Vorstand der Graf Recke Stiftung, sprechen wir über Einsamkeit im Alter und die Möglichkeiten, die Assistenzsysteme für Senioren wie Teresa.ai bieten.
Wer sind Sie?

Herr Eisele: Ein paar Stichworte zu mir: evangelischer Theologe und Pfarrer, Onliner seit 1994, seit 2018 im Vorstand der Graf Recke Stiftung.

Was ist die Graf Recke Stiftung?

Herr Eisele: Die Graf Recke Stiftung ist eine der ältesten diakonischen Einrichtungen Deutschlands. 1822 quasi als Start-Up von Adalbert Graf von der Recke-Volmerstein als »Rettungshaus« für Straßenkinder in Düsselthal gegründet. Heute begleiten mehr als 2.700 Mitarbeitende fast 4.300 Menschen jeden Alters mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf.

Die Digitalisierung ist da. Sie wird den Menschen und das soziale Miteinander, Raumorganisation und Zeiterleben verändern. Sie wirft große soziale, anthropologische, ethische, rechtliche, politische, kulturelle Fragen auf und löst die unterschiedlichsten Emotionen aus. Wie sehen Sie – auch als Pfarrer – die Digitalisierung im Kontext mit Ihrem Beruf?

Herr Eisele: Ich erkenne, dass Digitalisierung echte Chancen bietet. Vieles würde in der Sozialwirtschaft ohne digitale Lösung nicht mehr funktionieren. Von der Personaleinsatzplanung, über die Dokumentation und Qualitätssicherung bis hin zur Abrechnung. Für das Recruiting guter Fachkräfte und die Kommunikation über Ziele, Tätigkeit und Projekte der Graf Recke Stiftung ist das Internet heute unverzichtbar. Und daneben bietet es gerade Menschen mit Teilhabe-Einschränkungen neue Möglichkeiten, sich als Teil unserer Gesellschaft zu erleben, Unterstützung zu bekommen und selber aktiv zu sein. Dass es auch sehr kritische Entwicklungen gibt, die man mit großer Aufmerksamkeit beobachten muss, liegt auf der Hand. Die so genannten sozialen Netzwerke sind leider nicht immer so sozial.

Die zunehmenden Technisierungs- und Digitalisierungsprozesse betreffen dabei auch die Lebenswelten älterer Menschen: Wenn es darum geht, im Alter selbstbestimmt zu leben und an der Gesellschaft teilzuhaben, dann spielt seit einigen Jahren der Einsatz technischer Produkte und Anwendungen eine immer stärkere Rolle. Was tun Sie zum Thema Digitalisierung?

Herr Eisele: Wir entlasten unsere Pflegekräfte durch den Einsatz moderner Software und mobiler Geräte. Wichtige Informationen sind dann direkt zur Hand und man kann gemeinsam mit den Bewohnern die Pflege planen, Heilungsverläufe dokumentieren und dazu ins Gespräch kommen. Das verändert viel im Verhältnis von Pflegenden zu Gepflegten. Damit das alles funktioniert, muss die digitale Infrastruktur verlässlich sichergestellt sein.

Wir denken dass Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Teilhabe als sehr bedeutsame Elemente des modernen, sozialen Grundrechts gefördert werden können. Wo sehen Sie dabei die meisten Chancen in der Digitalisierung?

Herr Eisele: Ja, das sind wichtige Aspekte, die wir als Gesellschaft weiter fördern müssen. Niemand möchte im Alter plötzlich seine Autonomie verlieren. Es ist kein großer Erfolg der sozialen Arbeit der letzten Jahre, dass Menschen so lange wie möglich und gewollt zuhause leben können und damit auch bestimmen können, wie sie leben wollen. Aber auch wenn das nicht mehr geht, muss es darauf ankommen, dass die Einrichtungen so sensibel und aufmerksam wie möglich, große Freiräume für Selbstbestimmung bei gleichzeitig bester Versorgung schaffen. In diesen Corona-Zeiten haben wir ja erlebt, wie schnell der Kontakt zur Außenwelt unterbrochen war. Aber wer zum Beispiel über ein Smartphone oder Tablet verfügte, der konnte weiterhin in Verbindung bleiben. Deswegen waren wir der Bürgerstiftung Düsseldorf sehr dankbar, dass sie uns dabei unterstützt hat, Tablets für unsere Bewohnerinnen und Bewohner zur Verfügung zu stellen. Unsere Pflegekräfte haben ihnen dann gezeigt, wie man Familie oder Freunde anrufen kann.

Menschen können heutzutage mit ihren räumlich entfernten sozialen Netzen skypen. Einsamkeit kann reduziert werden auch für alte Menschen. Sprachcomputer ermöglichen Korrespondenzen für Menschen mit Sehbehinderungen. Was müsste dabei die Politik tun um das weiter zu fördern?

Herr Eisele: Einsamkeit im Alter ist ein wichtiges Thema. Im Moment untersucht eine Enquete-Kommission des Landtags NRW, was hier verbessert werden kann. Ich würde es begrüßen, wenn es gelingt, Lösungen für ältere Menschen zu entwickeln, die Assistenz bieten ohne zu bevormunden. Klar, dass es dafür auch finanzielle Mittel geben muss, die die Entwicklung fördert, damit es zu guten Produkten für Einzelne kommt. Sehr zu begrüßen ist, dass es in NRW von der Stiftung Wohlfahrtspflege eine finanzielle Förderung gibt, so dass auch die Einrichtungen diese Entwicklung vorantreiben können.

Ich würde mich freuen, wenn es gelingt, intelligente Assistenzsysteme wie Teresa.AI so zu entwickeln, dass unsere Pflegekräfte in der ambulanten Versorgung noch gezielter auf die Wünsche und Interessen ihrer Klientinnen und Klienten eingehen können.

Sie waren einer der ersten Unterstützer von Teresa.AI. Weshalb?

Herr Eisele: Ich finde den Ansatz richtig. Wir brauchen in der Altenhilfe gute Assistenzsysteme, die Seniorinnen und Senioren unterstützen, wenn es darum geht Kontakte zu halten, Hilfen zu bekommen oder auch den Tag zu organisieren. Bislang habe ich noch nicht viele Systeme gesehen, die intuitiv bedienbar sind, sich auf die Nutzenden einstellen und zugleich keine Datenmonster wie zum Bespiel Alexa sind. Hier erhoffe ich mir von Teresa.AI ganz neue Ansätze.

Welchen besonderen Nutzen hat Teresa.AI Ihrer Ansicht nach für die Senioren?

Herr Eisele: Da bin ich sehr gespannt auf die weitere Entwicklung. Wenn Teresa.AI Menschen im Alter vor allem Sicherheit gibt, dann wäre schon viel gewonnen. So eine Art persönlicher Assistent, der mich an Termine erinnert, den Kontakt zu Freunden oder Familie erleichtert, mich unterstützt, wenn ich medizinische oder pflegerische Versorgung brauche – oder mir vielleicht auch einfach den Einkauf organisiert, wenn ich nicht raus kann. Und wenn ich ein bisschen Unterhaltung oder Infos brauche – Musik, Alltagstipps, Nachrichten, Hörbucher – dann könnte Teresa.AI auch hier Vorschläge machen…

Welchen Nutzen sehen Sie für Einrichtungen wie die Ihre darin und worin sehen Sie die Entwicklungschancen?

Herr Eisele: Ich würde mich freuen, wenn es gelingt, intelligente Assistenzsysteme wie Teresa.AI so zu entwickeln, dass unsere Pflegekräfte in der ambulanten Versorgung noch gezielter auf die Wünsche und Interessen ihrer Klientinnen und Klienten eingehen können. Und in der stationären Altenhilfe wäre es schön, wenn Teresa.AI dazu beiträgt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner so aktiv und selbständig wie möglich bleiben. Wie wäre es, wenn solche Assistenzsysteme auch etwas zum Gesundheitszustand heraushören, zum Beispiel eine beginnende Erkältung. Oder wenn Teresa.AI den Gemütszustand feststellt, um dann adäquat darauf zu reagieren?

Welche Vorurteile bringt die Gesellschaft Senioren in Bezug auf moderne Technik entgegen?
Sind die Ihrer Ansicht nach gerechtfertigt?

Herr Eisele: Na ja, viele Junge glauben, dass die eigenen Großeltern minderbegabt sind, was Internet, Tablet und online betrifft. Ich habe Anfang 2000 eine 90-Jährige gesprochen, die damals schon ganz aktiv das Internet genutzt hat. Und viele der heute 80-Jährigen nutzen schon seit vielen Jahren Smartphone, PC, Notebook oder Tablet. Die wissen oft gut, wie das geht. Sie machen aber nicht mehr jede Mode mit und wählen gezielter aus, was ihnen nutzt und was sie für Zeitverschwendung halten. Da könnten wir Jüngeren etwas lernen. Aber klar ist UX, Usability und Barrierefreiheit spielen eine große Rolle, wenn zum Beispiel Beweglichkeit und Sehvermögen nachlassen. Technische Lösungen müssen sich einfach und intuitiv bedienen lassen.

Wie sehen Sie die Zukunft in Ihrem Bereich wenn es um Künstliche Intelligenz geht?

Herr Eisele: Noch sehe ich nicht viele Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, die in der sozialen Arbeit eingesetzt werden. Wichtig wäre mir, dass KI sich nie in den Vordergrund drängt und die Nutzenden bevormundet. Wir alle wissen, wie nervig schon die Auto-Korrektur bei Word sein kann. Viele Apps, die wir so auf dem Smartphone haben, entwickeln ein Eigenleben, auf das man nur mit viel Aufwand und Kenntnis Einfluss nehmen kann. Nicht erst im Alter kann das zu Enttäuschung und Frustration führen. Ich glaube, das ist eine ziemlich herausfordernde Gratwanderung für Entwicklerinnen und Programmierer: Die großen Chancen nutzen, die AI birgt, indem sie aus großen Datenmengen typische Muster ableitet und bei Assistenzsystemen zur Verfügung stellt – und zugleich die Individualität der Einzelnen zu respektieren.

„Prüft alles, und das Gute behaltet!“ – Das ist ein weiser Rat. Und ein alter Rat. Paulus von Tarsos, der erste Schriftsteller der Christentums, hat ihn aufgeschrieben. Als Graf Recke Stiftung werden wir weder zu den Weltuntergangspropheten gehören, die technischen Fortschritt grundsätzlich negativ bewerten, noch zu denen, die mit der Digitalisierung messianische Erwartungen verbinden. Ich glaube, wir brauchen eine reflektierte und verantwortliche Position, bei der nicht technische Prozesse im Vordergrund stehen, sondern der Mensch. Das ist unser diakonischer Auftrag.

Vielen Dank für das Interview!
<h4>Zerrin Börcek</h4>

Zerrin Börcek

Zerrin kam im September 2018 die Idee zu Teresa.AI, nachdem sie in ihrem eigenen Umfeld erleben durfte, vor welchen technischen Herausforderungen Senioren stehen können.
Teresa.ai verbindet smart

Über Teresa.Ai

Teresa.Ai ist eine digitale Alltagshelferin und Sprachassistentin, die Senioren mit den Lieblingsmenschen oder mit dem Arzt verbindet. Sie lässt sie positiv in den Tag starten, erinnert an ihre Grundversorgung, wie genug zu trinken, und gibt Inspiration für den Tag. Mit Teresa können sich ältere Menschen über Themen unterhalten, die sie interessieren. Sie sorgt für: Gemeinschaft, Tagesstruktur, Gesundheit und Unterhaltung.

Beitrag teilen

Weitere Blog-Beiträge